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# Thomas Riedinger - Japanische Teekeramik im Holzbrand

Dagmar A. Grahl I kunst und coaching
Veröffentlicht von Dagmar Grahl in Veranstaltungen · 2 Dezember 2011
Tags: VernissageKeramik

Vernissage am 02. Dezember 2011 in der Galerie „Kunst am Gendarmenmarkt“ Berlin:

Thomas Riedinger
Japanische Teekeramik im Holzbrand
www.rakuchawan.de

Aus meiner Eröffnungsrede: Die Magie des Feuers

Zu Beginn ein Zitat aus dem Buch „Der Zen-Weg“ von Eugen Herrigel: „An sich ist das Wort weniger als der Gedanke und der Gedanke weniger als die Erfahrung.“ Und weiter: „Das Wort ist Filtrat und was sich darin niederschlägt, ist des Besten beraubt. Platon schrieb im 7. Brief: Ein ernsthafter Mann, der sich mit ernsthaften Dingen beschäftigt, sollte nicht schreiben.“ Nun bin ich eine Frau und wohl deshalb auserwählt, hier einige Dinge sagen zu können. Danke. Das Wort ist weniger als der Gedanke und der Gedanke weniger als die Erfahrung.

Jedenfalls hat Thomas Riedinger den Weg gewählt, Erfahrungen machen zu wollen und das beweist seine Biografie. Seine Kindheit verbrachte er meist in ländlicher Natur, wo er schon früh aus dem lehmigen Boden und Holzstücken kleine Figuren und Gegenstände formte. Während seines Zivildienstes in der Heilpädagogik fasste er den Entschluss Bildhauerei bei Raoul Ratnowsky in der Schweiz zu studieren, um die pädagogisch-therapeutische Wirkung von Formen und Gestaltungsprozessen zu erleben und zu verstehen. In dieser Zeit gestaltete er meist freie Formen aus Holz und Stein. Gleichzeitig beschäftigte er sich schon mit der japanischen Ästhetik, die vom Zen-Buddhismus stark beeinflusst ist. Ab 1995 verfolgte er sein eigenes künstlerisches Schaffen und Suchen ohne das er die Ergebnisse veröffentlichte. Statt dessen stellte er seine Fähigkeiten in den Dienst seiner Schüler und Klienten, die er seit 18 Jahren intensiv begleitet. In dieser Zeit der eigenen plastisch künstlerischen Vertiefung erlernte er auch die japanische Teezeremonie in der Samurai -Tradition des Ueda Sôko, nicht zuletzt um die damit verbundenen Formen der Keramik besser zu verstehen.

Alle Teeschalen von Thomas Riedinger werden in einem selbst gebauten Ofen gebrannt, der mit Holz befeuert wird. Und auch die Glasuren werden z.T. eigenständig hergestellt, indem selbst gewonnene Aschen, Lehm-Schiefer und Vulkanerden in Anwendung kommen. Worin besteht denn nun der Zauber des Holzfeuers?

Es gibt genug Gefäße zum Trinken. Der Markt, die Geschäfte sind voll von industriell hergestellten Gläsern und Schalen. Wir können auch den Teebeutel einfach in die Tasse hängen und fertig. Weshalb dieser ganze Aufwand? Holzbrand, Tee-Zeremonie? Es ist eine Möglichkeit, ein Weg mit uns selbst in Kontakt zu kommen, zur Essenz zu gelangen: über das Wahrnehmen, die Erfahrung, das Erkennen. Was passiert also während eines Holzbrandes?

Es sind einfach alle Elemente im Spiel wie Feuer, Wasser, Erde, Luft und Metall. Es ist ein Spiel und eine Herausforderung mit dem Feuer. Der Ton ist die Erde, ohne Wasser könnten wir nicht formen, das Metall ist im Ton in Form von Eisenoxid enthalten oder in den Glasuren. Die Luft ist der Beschleuniger beim Brand und facht das Feuer ordentlich an. Bei allen Brennphasen kommt es auf das richtige Maß an. Und das ist die Herausforderung. Wann ist welches Holz angemessen? Wir lernen anhand der Farben des Feuers die Temperaturen abzulesen. All unsere Sinne sind in diesem Prozess des Brennens und des Entfaltens der Glasuren gefragt und im Einsatz. Wir können uns nicht auf einen Computer verlassen oder ein elektronisches Thermometer. Wir sind selbst der Entscheider und ein Teil des Ganzen. Wir können die Dinge in unserem Sinne im Kontext mit den Naturwesen und den Naturelementen zum Gelingen bringen. Und dazwischen ist Stille, Schweigen. Nur das Knistern des Feuers ist zu hören und der warme hölzerne Geruch entfaltet sich in der Luft und kriecht in all unsere Fasern. Unsere Wangen sind gerötet und bei zu langem Brand können auch mal die Glieder schmerzen. Wenn wir in solcher Situation aufgeben, ist alles verdorben. Gefäße können zerspringen wenn die Spannung zu groß ist und das Feuer zu heftig, auch das ist ein Bestandteil des Brennprozesses. Wir dürfen keine Angst vor dem Misslingen haben, sondern im Tun und der Ausdauer zeigt sich, was geboren werden will, was sich zeigen möchte. So kommen einige Teeschalen ein zweites oder drittes Mal in den Ofen und erfahren einen neuen „Veredlungsprozess“. Wobei man edel und perfekt unterscheidet. So kann gerade das Unperfekte vollkommen sein. Böttcher wollte in einem alchimistischen Prozess auch Gold herstellen und hat dabei das Porzellan entwickelt.

Jeder Brand ist eine Herausforderung und wie Thomas Riedinger sagt, tragen die Schalen die Spuren der Elemente an sich, wie der Mensch in seinem Antlitz die Schrift seines Schicksals und den Charakter der Vergänglichkeit aufweist. Entsprechend dem Wabi Sabi Gedanken der japanischen Ästhetik sind sie so vollkommen.

Und dies führt mich gleich noch mal zum Kern der vielen fernöstlichen Wege, wie Tuschemalerei, Blumenstecken, Tai Chi, Teezeremonie, Zen und anderen spirituellen Wegen. Das was sie verbindet, ist immer die Einheit, das Zusammenkommen von Tun und Sein. Es ist der Augenblick des Verschmelzens mit allem, wenn wir mit Achtsamkeit beim Tun sind und die Dinge wie von Zauberhand geschehen. In diesem Verschmelzen sind Materie und Geist Eins.

Der französische Maler Yves Klein, der von 1928 bis 1962 lebte, hat sich nach einem Asienaufenthalt auch sehr intensiv mit den Elementen auseinander gesetzt. Er hat sogar Feuer-Bilder hergestellt und sagte einmal: „Ich halte es für sicher, dass es im Herzen der Leere wie auch im Herzen der Menschen Feuer gibt, die brennen. Man soll sein wie das reine Feuer in der Natur, sanft und grausam, man soll sich widersprechen können. Dann, dann erst ist man wahrhaft ein personifiziertes und universelles Prinzip.“

Ich habe Thomas Riedinger gefragt, ob er auch ein Prinzip verfolgt?

Nach eigenen Aussagen werden alle Schalen ausschließlich mit der Hand geformt, ohne Töpferscheibe, um jegliche Mechanisierung des Gestaltungsprozesses zu verhindern und mit gesteigertem, wachen Gesamtbewusstsein den ganzen Prozess von der Tonaufbereitung bis zum Brennvorgang mit Holz zu umfassen. Die so entstandenen Schalen sind absolute Einzelstücke, sogenannte Individualisten.

Und genau so individuell ist auch die heutige Vernissage. Ich eröffne und übergebe an die Musikerin Johanna Riedinger, der Tochter von Thomas Riedinger. Sie musiziert nicht japanisch sondern folgt ihrem eigenen Spieltrieb und der ist französisch...



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